In Deutschland müssen Schweine bislang nicht betäubt werden, bevor sie kastriert werden. Das ändert sich ab 2019, dann darf der Eingriff nur bei betäubten Tieren stattfinden. Die Landwirte stellt die Ferkelkastration unter Betäubung vor mehrere Herausforderungen, denn die Alternativen – der Einsatz von Narkotika oder das Ausbleiben der Kastration – sind nicht weniger problematisch.
Ferkelkastration nicht ohne Betäubung

Die Betäubung der Tiere kostet Zeit und Geld, bei Nichtkastration sind die Tiere aggressiver und das Fleisch lässt sich schlechter verkaufen. Am Thünen-Institut für ökologischen Landbau werden daher Narkoseverfahren für die Ferkelkastration getestet.
Ab dem achten Lebenstag dürfen die männlichen Ferkel kastriert werden. Im Institut verabreicht man ihnen vorab ein Schmerzmittel. Anschließend werden die Ferkel in ein Narkosegerät (Emaskulator) eingespannt, über eine Narkosemaske atmen die Ferkel das Betäubungsgas Isofluran ein. Mit zwei präzisen Schnitten können nun die Testikel entfernt werden, wenige Minuten später sind die Tiere wieder wach.
Dies wäre per Definition eine artgerechte Vorgehensweise zur Ferkelkastration. Das Problem: Isofluran löst Kopfschmerzen und Übelkeit beim Menschen aus und der Treibhauseffekt liegt 595-fach über dem von Kohlenstoffdioxid. In der Schweiz wird diese Methode der Kastration dennoch seit 2008 angewendet. Allerdings stößt nicht nur der Zeitaufwand bei den Landwirten, die auf dieses Verfahren setzen, auf Unmut. Der Kostenfaktor liegt je Ferkel bei 1,50 bis 5,00 Euro.
Unruhe im Schweinestall
Wer lieber auf die Kastration der Ferkel verzichtet, riskiert Keilereien im Stall. Denn sobald die Tiere in die Pubertät kommen, beginnen sie ihre Triebe auszuleben. In einem reinen Eberstall kommt es da schon mal zum Ebern (Vergewaltigung schwächerer Artgenossen) oder zur gegenseitigen Penisbeißerei. Dies kann tödliche Folgen für die betroffenen Tiere haben.
Verhütung aus der Spritze
Auch die Qualität des Fleisches leide, wenn die jungen Eber nicht kastriert werden, heißt es. Bei der Mast der Eber kann sich durch Nichtkastration ein unangenehmer Geruch im Fett der Tiere niederschlagen. Hiergegen testen einige Bio-Betriebe derzeit den Impfstoff Improvac, der die Produktion der Geschlechtshormonen verhindert.
Mit der Geschlechtsreife sendet das Gehirn des Ebers Botenstoffe aus, durch die die Geschlechtsdrüsen stimuliert werden. Der Impfstoff enthält synthetisches Eiweiß, das diesen Botenstoffen ähnelt, vom Körper aber als Fremdkörper wahrgenommen wird. Dagegen bildet er Antikörper, die die körpereigenen Botenstoffe binden und somit unwirksam machen. Auf diese Weise bleibt nicht nur der Ebergeruch aus, sondern auch der Geschlechtstrieb. Somit ist diese Vorgehensweise vergleichbar mit der herkömmlichen Kastration.
Der Impfstoff enthält keine Hormone und hat auch keine Auswirkungen auf das Fleisch bzw. den Menschen, der es verzerrt. Nach zehn Wochen ist der Impfstoff vollständig abgebaut und die Tiere verhalten sich wieder wie „normale“ Eber.
Gemischtgeschlechtliche Haltung statt Kastration
In Großbritannien wird eine weitere Alternative zur Ferkelkastration praktiziert: Statt die Schweine nach Geschlecht separiert aufwachsen zu lassen, halten die Briten sie in gemischten Mastställen. Das entspricht für viele der natürlichsten Weise der Schweinezucht. Die Folge der gemeinsamen Haltung ist allerdings, dass einige Jungsäue bei der Schlachtung trächtig sind.
Für den Tod der Föten will in Deutschland kein Schweinemäster verantwortlich sein. Daher setzen sie lieber weiterhin auf die Kastration der Ferkel oder oben genannte Alternativen.
Die Entscheidung, welche die artgerechteste Schweinehaltung ist und welche Vorgehensweise bevorzugt praktiziert wird, können Verbraucher, allen voran Gastronomen, mitbestimmen.